Wahrnehmend Veränderung einladen

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Liebe Mit-Weltenwandernde, die ihr vielleicht mit schwerem Rucksack marschiert!

Unter irgendetwas leiden wir meistens und wenn es nur eine laue Langeweile ist. Leichtes und mittelschweres Leid kann man noch wegstecken oder kompensieren. Aber manches Leid drängt sich mit unmissverständlicher Ellbogentechnik in den Vordergrund und tanzt uns bei jeder Gelegenheit vor der Nase herum. Das sind Zustände, wo ›jokes over‹ ist, die sind nicht mehr lustig. Sie treiben uns in Verzweiflung, verfolgen uns in schlaflose Nächte, beanspruchen viel Gedankenzeit am Tag für sich, sodass wir manchmal sogar nicht in der Lage sind, empathisch mit dem umzugehen, woran uns am meisten liegt. Unsere Kinder vielleicht, unsere Frau, unser Mann oder Freunde. Und schon gar nicht fernerstehenden Menschen wie Nachbarn oder Kollegen. Vielleicht haben wir uns schon in therapeutische Behandlung begeben, waren bei der Kartenlegerin oder haben selbst Ausbildungen durchgemacht, in der Hoffnung nach Lösung ... Erlösung. Und nichts hat geholfen.

 

Wenn einfach nichts helfen will, gleichgültig, wie sehr wir uns auch anstrengen, dann liegt das an unserer Sturheit. Ja, so ist es. Wir weigern uns, uns dem Leid zuzuwenden und es zu fragen, was es für uns an Informationen, vielleicht sogar Geschenken bereithält. Jede Leidenssituation birgt eine Botschaft an uns und der emotionale oder auch körperliche Schmerz, der sie begleitet, ist sozusagen ihr Herold, ihr Ausrufer, der uns auf sie aufmerksam macht.

Als Vergleich stelle man sich einen Briefträger vor, der die Aufgabe hat, eine äußerst dringliche Nachricht zu übermitteln. Ihm ist aufgetragen, sie auf jeden Fall auszuliefern, koste es, was es wolle. Wir hingegen stellen uns an wie äußerst störrische Empfänger. Am Anfang war der Briefträger wahrscheinlich recht freundlich und dezent. Wenn man aber jemandem zehnmal oder hundertmal die Tür vor der Nase zuknallt, jemandem, der unter größtem Einsatz den Brief überbringen muss, dann darf man sich nicht wundern, wenn er immer hartnäckiger versucht, Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir sind aber nicht so clever, uns an den Spruch vom Klügeren zu erinnern, dem, der nachgibt, sondern wir verstecken uns in der Besenkammer und halten uns die Ohren zu oder drehen die Musik ganz laut, damit wir nur ja das Klopfen nicht hören. Psychologen sagen Verdrängen dazu. Der Briefträger geht uns mitunter so auf den Geist, dass wir große Summen investieren, um ihn nicht sehen zu müssen. Wir kaufen immens teure Ohrstöpsel, die Apotheker als Medikamente bezeichnen. Wir gehen zu Seminaren von Fachleuten, die sagen, der Briefträger wäre ein Teil von uns, wir bräuchten ihn nur zu integrieren. Andere wieder empfehlen ihre Rituale, mit denen man sich von dem Briefträger abnabeln kann.

Neben diesen freidlich wirkenden Maßnahmen gibt es aber auch kämpferische Strategien. Wir besuchen aufwändige Kurse, in denen wir lernen, gegen den Briefträger zu kämpfen. Mit chemischen Waffen zum Beispiel und Strahlenkampfgeräten. Dann hört man schon ab und an jemanden sagen, er hätte den Briefträger besiegt. Häufig rappelt der sich aber nach wenigen Jahren wieder auf und steht mit noch größerer Energie vor der Tür.

Vielleicht sollten wir das Beispiel mit dem Briefträger gut im Kopf behalten, um uns langsam daran zu gewöhnen, mit dem Leid anders umzugehen.

Ich sage damit nicht, wir sollten im Falle von Krankheit keinen Arzt aufsuchen, das wäre sehr töricht. Wenn es schon so weit gekommen ist, dass sich der Briefträger mit der Axt an der Haustür zu schaffen macht, dann wird es kaum ausbleiben, auch auf dem matriellen Sektor Unterstützung zu holen.

Nur: Warum, in drei Teufels Namen, sind wir nur so verbohrt, nicht einfach mal den Brief entgegenzunehmen? Was kann daran so schlimm sein? In vielen Fällen verbeugt sich der Briefträger dann nämlich und geht. Er hat ja schließlich seinen Auftrag ausgeführt.

Leid = Briefträger. Das sollten wir uns merken.

Sind wir bereit, den Brief anzunehmen und uns damit auseinanderzusetzen, haben wir den berühmten ersten Schritt getan. Aber nun kommen andere Probleme auf uns zu.

Im zweiten Schritt geht es darum, den Brief zu entziffern. Er kann in einer uns unverständlichen Sprache geschrieben sein oder mit ausgestorbenen Schriftzeichen. Oder er ist überhaupt in Geheimtinte geschrieben und wir denken, die Seiten wären leer.

Von diesem zweiten Schritt soll dieser Beitrag berichten.

Schalten wir von der Metapherebene um auf unsere konkrete Lage. Wir haben den Brief erhalten, was sagen will, dass wir bereit sind, uns die Botschaft der Leidenssituation anzuhören. Was wir damit erreichen möchten, ist Veränderung. Das Leid soll sich vertschüssen. Zum Lesen des Briefs gehören aber sowohl die Bereitschaft, sie zu hören, als auch das Wollen, sie zu lesen. Hier wird es nun ein wenig mystisch. Denn das Lesen ist keine Sache, die man mit dem Kopf erledigen kann, also mit Denken. Ganz im Gegenteil ist genau das Denken absolut hinderlich. Über den Grund dafür gibt es im Beitrag über den Erfahrungsraum zu lesen.

Kopf, also Denken geht nicht, steht vielmehr im Weg. Ja, was dann? In Wahrnehmung habe ich etwas über unsere Fähigkeit des Wahrnehmens geschrieben. Bei den drei Wahrnehmungen gibt es ein Paradoxon: die wichtigste ist die intuitive Wahrnehmung. Aber just sie lässt sich nicht erlernen. Diese Fähigkeit erhalten wir sozusagen als Geschenk des Universums dafür, dass wir uns mit den beiden anderen Wahrnehmungsarten auseinandersetzen: der körperlichen und der emotionalen.

Da wir noch Anfänger sind, beginnen wir mit der untersten Stufe. Selbst Menschen, die nicht an Seele oder derlei glauben, sind in der Lage, körperlich wahrzunehmen. Was wir dazu brauchen ist der Wille, es zu tun und uns bestmöglich zu konzentrieren. Und, natürlich, die Bereitschaft, etwas zu erfahren.

Mit der Bereitschaft, uns der körperlichen Wahrnehmung zu öffnen, machen wir ein Fenster zum Universum auf, stellen eine Kerze hinein und legen einen Zettel daneben, auf dem steht: »Ich kann nicht weiter. Hilf du mir.« Dafür braucht es eine Menge Mut, ein Quantum Demut und vor allem die Bereitschaft des Zulassens und - Geduld. Kontrollfreaks haben es damit vielleicht nicht so ganz einfach. Ohne das geht es aber nicht. Also:

Entspannen und dich hingeben!

 

Die Übung ist idealer zu zweit. Denn so kannst du dich voll auf deine Wahrnehmung konzentrieren und deine Begleiterin oder dein Begleiter hält dich bei der Stange. Aber es geht auch alleine. Wenn du sie allein machen möchtest oder musst, weil niemand verfügbar ist, dann kannst du dir einen Text ähnlich dem folgenden auf zum Beispiel dein Smartphone sprechen. Dann kannst du es laufen lassen und bei Bedarf anhalten. Du kannst auch jederzeit die Fragen erweitern nach eigenerm Gutdünken und deiner Phantasie.

 

Die Übung.

Bei dieser Übung geht es nicht darum, sie besonders ›gut‹ zu machen. Es geht ums Loslassen, ums Zulassen, ums Nichts-Erwarten, ums Sein-ohne-zu-Denken. Um das reine beobachtende Sein, das keine Wertung kennt, um das Wiedergewinnen den kindlichen Beobachtens.

Also: völlig easy und turbo-entspannt

~ o ~

Wähle einen Ort, an dem du nicht gestört werden kannst!

Setz dich entspannt hin, besser sitzen wegen der Einschlafgefahr.

Achte die ganze Zeit darauf, nicht zu denken, sondern nur zu beobachten!

Atme dreimal langsam, konzetriert und tief ein und aus. Spür dem Atemfluss nach. Nimm wahr, wie die Luft durch deine Nasenlöcher streicht und deine Lunge füllt. Nimm wahr, wie du mit dem Einatmen mächtig und bestimmt wirst und mit dem Ausatmen wich und nachgiebig. Angespannt und entspannt, ein und aus. Du bist beides: die Person, die dein Leben bestimmt und der Mensch, der sich rückhaltlos hingeben kann. Du hast die Macht loszulassen.

Wenn es sich um körperlichen Schmerz handelt, lenke deine Aufmerksamkeit an den Ort, wo sich der Schmerz befindet. Ist es seelischer Schmerz, rufe die Situation, die ihn auslöst zu dir und nimm die Emotion bewusst wahr. Emotionen lassen sich genauso im Körper wahrnehmen.

Achte die ganze Zeit darauf, nicht zu denken, sondern nur zu beobachten!

Nun beobachte deinen Schmerz. Wo sitzt er? An einer Stelle oder an mehreren? Wenn es mehrere sind, wie ist die Verbindung? Oder gibt es gar keine? Sei kreativ mit deinen Forschungsfragen!

Betrachte den Schmerz. Welche Farbe hat er? Schwarz, rot, grau? Oder durchsichtig? Welche Beschaffenheit? Schwer? Kalt? Rau oder glitschig? Klein oder groß? Welche Oberfläche? Bewegt er sich? Nur dann, wenn er beobachtet wird oder ständig?

Achte die ganze Zeit darauf, nicht zu denken, sondern nur zu beobachten!

Lass dir Zeit und beobachte ihn von allen Seiten. Alles ist möglich! Der Schmerz kann sich auch als Wesen zu erkennen geben. Es kann sogar so weit gehen, dass du in einen Dialog kommst. Dann kannst du ihm zum Beisiel sagen, dass seine Arbeit für dich schmerzvoll und kontraproduktiv ist. Obe er eine Möglichkeit sieht, stattdessen seine Erfahrungen für dich hilfreich einzusetzen.

Wenn du nichts sehen kannst, dann ist das genauso gut. Vielleicht bist du noch verspannt? Dann atme nochmals, so lange, bis all deine Gliedmaßen völlig enstapnnt sind.

Es kann auch sein, dass es an diesem Tag nicht geht, weil du zu unruhig bist oder die Stunde ist ungeeignet. Das ist völlig in Ordnung. Oder dass dein Kopfkino wie wild arbeitet. Dann wiederhole es einfach zu einem anderen Zeitpunkt.

Wenn du irgendetwas wahrnimmst, werte nicht und denk nicht (darüber nach)! Beobachte lediglich, sonst nichts! Beobachte, was geschieht. Denk immer daran, dass du damit ein Fenster aufstößt und dem Universum die Möglichkeit gibst, dir Veränderung zu bringen. Wichtig: Du brauchst keine Angst zu haben, es kann dir nichts Schlechtes widerfahren! Sei aufgeschlossen und empfangsbereit, wofür auch immer.

Beobachten, zusehen.

Du wirst selbst bemerken, wenn es Zeit wird, langsam aufzuhören. Vielleicht bekommst du ein unerwartetes Bild, ein Duft erinnert dich an etwas, ein Satz fällt dir ein - alles ist möglich!

Danach beginne nicht, gleich wieder alles mit dem Kopf zu zerlegen, sondern fühl nach, lass es nochmals aufleben, verinnerliche, was du wahrgenommen hast. Wiederhole eventuelle Botschaften und merke sie dir unbedingt! Du kannst auch danach die Erfahrung aufschreiben.

Nimm dir anschließend Zeit und mach vielleicht einen Spaziergang.

Tauche behutsam wieder in den Alltag ein.

Was auch geschieht, es ist für dich das aktuell Beste - selbst wenn nichts geschehen sollte.

 ~ o ~

Diese Übung wirkt deshalb, weil du durch das Beobachten, das körperliche Wahrnehmen, nicht denkst. Man kann nicht wahrnehmen und denken zugleich! Es ist Meditation, nur (finde ich es) viel spannender, weil du konkret etwas tust: beobachten.

Viel Erfolg und wenn du deine Erfahrungen teilen möchtest, dann steht dir das Forum zu Verfügung oder du kannst mich auch anmailen.