Richtig und falsch

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Das Richtig und das Falsch gibt es nicht.

Und was ist dann mit den zehn Geboten? Oder den Gesetzen, nach denen man im Gefängnis landet, wenn man jemanden umbringt? Alle Gebote und Gesetze entstammen einer Zeit, die dabei ist, sich zu verabschieden. Eine Zeit, in der wir Gebote und Gesetze als Stütze nutzen konnten. So mussten wir keine eigene Ethik entwickeln, sondern hatten etwas, nach dem wir uns richten konnten. Aber wie jede hat auch diese Münze zwei Seiten: Jede Stütze stützt und behindert gleichermaßen.

 

Trend Bewusstwerdung

Sicher hast du vom Bewusstwerden gehört, das in unserer Zeit jeden beschäftigen soll. Alle reden vom Bewusstwerden, unsere Zeit brächte Bewusstsein. Der Begriff Bewusstsein ist mittlerweile zu einem abgegriffenen Wort verkommen, einer Hülse, bei der man nichts Besonderes denkt und schon gar nicht fühlt. Und, ehrlich gesagt, ich kann es nicht mehr hören. Aber dass ein großer Wandel stattfindet, kann man nicht leugnen.

Was geschieht momentan, ich meine seit rund zwanzig Jahren? Eine explosive technische Entwicklung. Die Globalisierung: alles rückt zusammen, maximal einen Tag weit weg sind mittlerweile unsere Antipoden. Es gibt Berufe, von denen man vor wenigen Jahren nicht einmal träumte. Alles ist möglich geworden, zumindest wird das im wirdschaftlichen Bereich niemand anfechten. Aber auch sonst wird schier Unmögliches bekannt; als Beispiel der Fall von Clemens Kuby im Blog-Artikel Alles ist möglich. Und Konventionen sind zu einem großen Teil weggefallen. Letzteres macht den verborgenen Weltenführern Angst, denn es würde Selbstständigkeit im Denken möglich machen. Also werden zum Ausgleich viele Gesetzte geschaffen, um jeden am Ausbrechen zu hindern. Nur wird das nicht funktionieren, denn die Selbstständigkeit des Einzelwesens liegt als Versprechen in unserer Zeit. Daran kann niemand schrauben.

Wenn man diese paar Gegebenheiten aus einer übergeordneten Sicht betrachtet, schiebt alles zu einem Ergebnis: Selbstständigkeit im Denken und Entscheiden. Früher war der Sohn ebenfalls Schuster geworden. Geheiratet wurde nach wirtschaftlichen Aspekten, da war selten die Freiheit einer der Liebe folgenden Wahl. Die Kirche stellte nicht nur zehn Gebote auf, sondern viel mehr und das alles wurde flankiert von gesellschaftlichen Regeln. Das war die Zeit, in der wir folgen mussten, wir hatten wenig Wahl. Es war die Zeit, in der ein Korsett von Regeln uns gängelte, aber auch manchmal schützte.

Heute fällt der Druck weg. Man kann tun, was man möchte, Sekten gründen oder Feuchtgebiete verfassen, Radikaler oder Mandela sein. Man kann sich den Beruf wählen, der einem zusagt, man kann in die meisten Länder auswandern, alle Grenzen fallen. Das ist wunderbar und es bietet die Grundlage für das, wozu man schnell Bewusstsein sagt. Die groartigen Möglichkeiten bringen aber ein anderes Problem im Gepäck: Man muss sich seine eigene Ethik schaffen. Etwas muss das Korsett von früher ersetzen und das ist schlicht das eigene Rückgrat.

Nur - wie findent man zu Zeiten von Google und der Überinformation das - für sich - Richtige?

Richtig und falsch

sind zwei Begriffe, die noch von früher herüberschwappen. Ehrenhaft, ehrlich und rechtschaffen war richtig. Verlogen, stehlen un hintergehen falsch. Im Ort fünfzig km/h fahren richtig, sechzig km/h fahren falsch. Oder sind die sechzig km/h nur dann falsch, wenn die Straße eng und unübersichtlich, hingegen nicht, wenn sie breit und weit übersehbar ist? Einem Polizisten darf man die Frage nicht stellen, der würde sagen, fünfzig sagte das Gesetz, das wäre richtig. Aber wenn wir mal vom Gesetz absehen und es stattdessen logisch betrachten?

Schon an diesem einfach Beispiel sieht man, dass die Unterscheidung schwierig ist. Oder sollte man besser sagen, es wäre ein bisschen richtig?

Ich denke, die Antwort lässt sich am ehesten durch Andersdenken finden. Ich trenne das einfach: das eine ist Gesetz. Richtig und falsch sind etwas ganz anderes.

Wie so oft bringt die Sprache Erhellung ins Fragendunkel. Wenn ich lediglich vom Klang der beiden Worte ausgehe, zeigt mir das eine eine Richtung, wo es lang geht. Richtig klingt zügig. Bei dem  Wort falsch meldet sich in meinem Kopf sofort das Bild eines wilden Baches, in dem ein Baumstamm querliegt. Das Wasser rauscht und gischtet gegen das Hindernis an. Mit anderen Worten: Richtig bedeutet für mich im Fluss und falsch gegen den Fluss, also das Gegenteil.

Jetzt bleibt nur noch die Frage zu klären übrig, um welchen Fluss es sich handelt. Angebot: um den eigenen Fluss des Lebens. Entschlüsselt lautet die Antwort also: Richtig ist gleichbedeutend mit im Fluss, falsch mit nicht im Fluss und beides bezogen auf den eigenen, persönlichen Fluss des Lebens. Mit anderen Worten: handle ich stimmig oder nicht stimmig, in Hinblick auf meine aktuelle Situation.

 So einfach ist das. Nicht so einfach ist oft, herauszubekommen, was es nun ist. Stimmig? Oder doch nicht? Wie prüft man das ab? Nach welchen Maßstäben? Nach welchen Regeln? Wo kann man das nachlesen? Eine beruhigende Antwort und eine beunruhigende: nirgends und nirgends. Es handelt sich nämlich nicht um starre Gesetze, bei denen bereits 51 km/h falsch sind. Sondern es geht um den persönlichen Lebensfluss, der weich, anschmiegsam und trotzdem unnachgiebig ist. Es gibt keine Regeln, nach denen man sich richten kann. Das mag verunsichern, denn wir wünschen ja stets, alles im Griff zu haben, alles zu wissen. Aber das geht ganz einfach deshalb nicht, weil wir dafür sämtliche Parameter kennen müssten. Das hingegen wird uns nie gelingen. Wir müssen also einen anderen Weg gehen. Einen sehr einfachen und zugleich abenteuerlich neuen:

Den Weg der Wahrnehmung.